Wann ist das Nachlassverzeichnis fertig?

Immer wieder stellen Pflichtteilsberechtigte die Frage, ob sie vom Erben verlangen können, das vorgelegte Nachlassverzeichnis noch einmal zu ergänzen oder zu berichtigen. Ein solcher Anspruch besteht nur in bestimmten Konstellationen.

Grundsätzlich gilt, dass das erteilte Nachlassverzeichnis zu nehmen ist, wie es ist. Der Erbe schuldet nur einmal die Auskunft:

Besteht Grund zu der Annahme, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden ist, kann der Pflichtteilsberechtigte vom Erben verlangen, zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, dass dieser nach bestem Wissen den Bestand so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei (§ 260 Abs. 2 BGB).

„Liegt – wie hier – ein notarielles Nachlassverzeichnis vor, so kann der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich nicht dessen Berichtigung oder Ergänzung verlangen. Vielmehr ist er in diesem Fall, soweit die Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB vorliegen, auf den Weg der eidesstattlichen Versicherung verwiesen (Senatsurteil vom 6. März 1952 – IV ZR 16/51, LM § 260 Nr. 1; Staudinger/Herzog, BGB, §§ 2303 bis 2345 (2015), § 2314 Rn. 84; MüKo-BGB/Lange, 8. Aufl. § 2314 Rn. 28; Bamberger/J. Mayer, BGB 3. Aufl. § 2314 Rn. 14; BeckOK-BGB/Müller-Engels, § 2314 Rn. 21 [Stand: 1. Februar 2020]). Von diesem Grundsatz sind allerdings verschiedene Ausnahmen anerkannt. So kann ein Anspruch auf Ergänzung bzw. Berichtigung eines Nachlassverzeichnisses bestehen, wenn in diesem eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen – etwa aufgrund eines Rechtsirrtums des Pflichtigen – nicht aufgeführt ist (Senatsurteil vom 6. März 1952 – IV ZR 16/51 aaO; OLG Düsseldorf ErbR 2019, 772, 773), wenn Angaben über den fiktiven Nachlass oder Schenkungen fehlen (OLG Oldenburg NJW-RR 1992, 777 [juris Rn. 31]), wenn die Auskunft zwar dem Wissensstand des Verpflichteten entspricht, dieser sich jedoch fremdes Wissen trotz Zumutbarkeit nicht verschafft hat (OLG Saarbrücken ZEV 2011, 373 Rn. 17) oder wenn sich ein Notar auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben ohne eigene Ermittlungstätigkeit beschränkt (OLG Koblenz ZEV 2018, 413 Rn. 18; vgl. ferner Staudinger/Herzog, BGB §§ 2303 bis 2345 (2015), § 2314 Rn. 85; MüKo-BGB/Lange, 8. Aufl. § 2314 Rn. 28; Bamberger/J. Mayer, BGB 3. Aufl. § 2314 Rn. 14; BeckOK-BGB/Müller-Engels, § 2314 Rn. 21 [Stand: 1. Februar 2020]).“

(BGH, Urteil vom 20. Mai 2020 – IV ZR 193/19 –, Rn. 10, juris)

Alternativ bleiben dem Pflichtteilsberechtigten eigene Recherchen, etwa indem er Auskünfte bei Dritten oder bei öffentlichen Stellen einholt.

Der Pflichtteilsberechtigte bei der Bezifferung seines Zahlungsanspruchs nicht an die Auskünfte des Erben gebunden. Geht der Pflichtteilsberechtigte davon aus, dass mehr Vermögensgegenstände vorhanden sind oder das die angegebenen Vermögensgegenstände mehr wert sind, trägt er im Rechtsstreit dafür die Beweislast. Geht der Pflichtteilsberechtigte davon aus, dass weniger oder geringere Nachlassverbindlichkeiten vorhanden sind, genügt es hingegen, dass er diese in Abrede stellt. Der Erbe trägt die Beweislast für Verbindlichkeiten.

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