Pflichtteilsentziehung meist unwirksam

Ist das Verhältnis zerrüttet, versuchen Eltern manchmal, ihren Kindern den Pflichtteil zu entziehen. Doch das geht nicht so einfach, wie ein Fall des OLG Saarbrücken zeigt.

Die Eltern setzten sich gegenseitig und danach ihre Kinder ein (Berliner Testament). Nachdem der Vater starb, wurde der Sohn wegen wegen schweren räuberischen Diebstahles in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Der Sohn verstieß gegen die Bewährungsauflagen und musste deshalb ins Gefängnis. Die Mutter errichtete ein neues Testament, in dem sie den Sohn enterbte und ihm den Pflichtteil entzog. Alleinerbin sollte die Tochter werden.

Nach dem Tod der Mutter entschied das OLG Saarbrücken mit Beschluss vom 12.12.2017, dass die Pflichtteilsentziehung unwirksam ist und der Sohn mit der Tochter gleichberechtigter Erbe zu je 1/2-Anteil ist (Aktenzeichen 5 W 53/17).

Nach § 2333 Abs. 1 BGB können Eltern ihrem Kind oder Enkel nur in ganz besonderen Ausnahmefällen den Pflichtteil entziehen. Dort ist geregelt:

„Der Erblasser kann einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, wenn der Abkömmling

1. dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, einem anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahe stehenden Person nach dem Leben trachtet,

2. sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine der in Nummer 1 bezeichneten Personen schuldig macht,

3. die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt oder

4. wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist. Gleiches gilt, wenn die Unterbringung des Abkömmlings in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wird.“

Nummern 1. bis 3. kamen nicht infrage, da der Sohn seine Taten nicht gegen die Eltern verübt hatte.

Nummer 4 kam nicht zum Tragen, da der Sohn nur zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war. Dass die Bewährung später widerrufen wurde, spielt keine Rolle, so das Gericht:

„Gemäß § 2333 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 BGB kann der Erblasser einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, wenn dieser wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und die Teilhabe des Abkömmlings am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist. Eine Verurteilung, deren Vollstreckung – wie hier – zur Bewährung ausgesetzt worden ist, wird, wie das Amtsgericht richtig annimmt, vom eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst (Staudinger/Wolfgang Olshausen (2015) BGB § 2333, Rn. 28; MünchKomm-BGB/Lange, 7. Aufl., § 2333 Rn. 40). Hierbei handelt es sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, der den im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Vorschlag, die Worte „ohne Bewährung“ zu streichen (vgl. Stellungnahme des Bundesrates, Zu Artikel 1 Nr. 28, BT-Drucks. 16/8954, S. 32; s. auch Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/8954, S. 36), nicht aufgegriffen hat (dazu auch Birkenheier in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 2333 BGB, Rn. 58).

Soweit die Antragstellerin geltend macht, die Bestimmung des § 2333 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 BGB müsse auch dann Anwendung finden, wenn die Aussetzung der Strafe zur Bewährung – wie hier – widerrufen worden ist, stünde dies deshalb zu dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung in Widerspruch. Wie der Senat bereits mit Beschluss vom 3. August 2017 ausgeführt hat, ist die Bestimmung des § 2333 BGB abschließend und nicht analogiefähig; eine ausdehnende Anwendung auf andere Tatbestände als die darin bezeichneten ist daher ausgeschlossen (BGH, Urteil vom 1. März 1974 – IV ZR 58/72, NJW 1974, 1084; RG, Urteil vom 11. November 1941 – VII 73/41, RGZ 168, 39, 41; OLG München, NJW-RR 2003, 1230; Birkenheier in juris-PK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 2333 Rdn. 59). Bei der Fassung des Gesetzes, nach der die Straftat als solche der Maßstab für eine Pflichtteilsentziehung ist, müssen spätere Entwicklungen nach der Tat bzw. der Verurteilung deshalb irrelevant sein (Staudinger/Wolfgang Olshausen (2015) BGB § 2333, Rn. 28; Riedel, in: Damrau, Praxiskommentar Erbrecht, 2. Aufl., § 2333 Rn. 33).“

Da die Voraussetzungen für eine Pflichtteilsentziehung hoch sind, sollte ein Pflichtteilsberechtigter eine solche Entziehung in Zweifelsfällen überprüfen lassen.

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